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Altersgerechtes und barrierefreies Wohnen mit „ServicePlus“
Für das Handwerk wird die demografische Entwicklung und die daraus resultierende Nachfrage nach senioren- und behindertengerechten Produkten und Leistungen ein zentrales Thema der nächsten Jahre bleiben. Die Komplexität des Themas „Leben im Alter oder Leben mit Beeinträchtigungen“ wird oft unterschätzt. Kenntnisse über die Menschen, deren Lebensumstände und Bedürfnisse sowie rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen bezogen auf die alltagsunterstützenden Assistenz-Leistungen sind deshalb für Handwerksbetriebe ein bedeutender Wettbewerbsvorteil.
Wesentlichen Grundlagen dazu wurden in den vergangenen Jahren in sogenannten Qualifizierungsseminaren, die vom Kreisseniorenrat Esslingen veranstaltet wurden, beleuchtet.
Nach dem ersten Qualifizierungsseminar im Januar 2019, das auch als Grundschulung betrachtet werden konnte, fanden am 20. Januar 2023 und am 23. Februar 2024 jeweils weitere eintägige Qualifizierungsseminare mit der freundlichen Unterstützung der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen als auch der Kreishandwerkerschaft Esslingen-Nürtingen statt.
Handwerker für bauliche Veränderungen im Sinne von altersgerechtem und barrierefreiem Wohnen zu qualifizieren und für die diesbezüglichen Belange, Erwartungshaltungen und Ansprüche der Generation 60 + zu sensibilisieren, war das Anliegen dieser Qualifizierungsseminare von „ServicePlus“.
Qualifizierte Referentinnen und Referenten der Hochschule Esslingen, der Wohnberatungen, des Bauministeriums, der Altenhilfeorganisationen und der Industrie für Assistenzsysteme haben auf die Bedeutung seniorengerechter Wohnungen sowohl von der demographischen Entwicklung als auch den baulichen Anforderungen und den möglichen Beratungsangeboten für Umbauten und finanziellen Förderungen aufmerksam gemacht.
Neben den Service Plus Aktivitäten engagiert sich der Kreisseniorenrat Esslingen auch in der AG Wohnen des Landesseniorats Baden- Württemberg um die Bedürfnisse der älteren Generation in der Landesbauordnung (LBO) zu verankern.
Hier gelten die Grundsätze, dass der Mensch auch im Alter ein Recht auf selbstbestimmtes Wohnen hat und in seiner gewohnten Umgebung bleiben kann. Dabei nimmt die Barrierefreiheit eine zentrale Rolle ein. Darüber hinaus müssen Seniorinnen und Senioren in die Lage versetzt werden sich das selbstbestimmte Wohnen auch leisten zu können, denn auf die älteren Haus- oder Wohnungsbesitzer kommen immer mehr Belastungen zu (z.B. für energetische Maßnahmen aufgrund geänderter Gesetze). Kommen dann noch Kosten für die Herstellung der Barrierefreiheit dazu, werden viele Haushalte an die Grenzen ihrer Belastungsfähigkeit kommen. Dies umso mehr, wenn neben der Mobilitätseinschränkung noch Kosten für die Pflege zu tragen sind.
Die Mittel der Pflegekassen und der KfW-Bank werden mit großer Wahrscheinlichkeit nicht ausreichen, um die Kosten der Wohnungsanpassungen zu decken. Seniorinnen und Senioren erhalten aber in der Regel von den Banken keine Kredite und daher werden viele notwendige Investitionen unterbleiben. Stattdessen bleibt zu befürchten, dass nur der Weg in die stationäre Langzeitpflege als Lösung in Frage kommen wird. Ob die Kosten dafür von den Sozialhilfeorganisationen getragen werden können und ob es aufgrund des Fachkräftemangels genügend Pflegepersonal geben wird, kann bezweifelt werden Deshalb muss die Forderung sein, dass Wohnungsanpassungen von Bund, Ländern, den Pflegekassen und den Kommunen deutlich höher bezuschusst werden, als es heute der Fall ist. Die Kommunen müssen mehr altengerechte Wohnungen schaffen, dabei aber von Bund und Land stärker unterstützt werden.
Damit die notwendigen Entwicklungen gestärkt werden und Fahrt aufnehmen, muss bei den handelnden Unternehmen und in breiten Teilen der Gesellschaft ein entsprechendes Bewusstsein geschaffen werden. Dies soll im Wesentlichen durch Information, Kommunikation, anschauliche Erlebnisformate, eine flächendeckende Wohnraumberatung sowie die Entwicklung geeigneter Standards und nicht zuletzt durch gezielte Förderprogramme zur barrierefreien Wohnraumanpassung ermöglicht werden.
Hierbei sind auch das Handwerk und die Bauplanung gefragt, egal ob beim Umbau, der Sanierung oder dem Neubau. Daher ist es wichtig und richtig, dass sich die Kreishandwerkerschaften und Kreisseniorenräte bei diesen Themen zielgerichtet einbringen.
Tino Marling, 11.03.2024
Stv. im Kreisseniorenrat Esslingen