Alter und Pflege im Fokus

Mitgliederversammlung des Kreisseniorenrats Esslingen am 5. März 2024 im Alten Rathaus in Esslingen. Vorsitzende Renate Schaumburg präsentierte die Angebote und neue Themenschwerpunkte.

JHV 2024

Über Details informierten Renate Schaumburg und Gisela Rehfeld, die beiden Vorsitzenden des Kreisseniorenrats (KSR), vor wenigen Tagen bei der Mitgliederversammlung im Alten Rathaus in Esslingen.

Gern gesehene Besucher waren unter anderen MdB Markus Grübel und Landrat Heinz Eininger. Der Kreischef ging in seinem Grußwort auf den demografischen Wandel ein, der beim Landkreis schon seit Jahren in die Altenhilfeplanung Eingang gefunden habe. Einingers Zahlenbeispiele ließen aufhorchen: 2030 werde jeder vierte Mensch älter als 65 sein und die Zahl der Hochbetagten steige schneller als dies jahrelang prognostiziert worden sei. Alarmierend werde es beim Blick auf fehlende Pflegeheimplätze und die sinkende Zahl an Pflegekräften. Eininger zeigte auf, welche Maßnahmen der Kreis bereits ergriffen hat, um die Misere in den Griff zu bekommen.

Marius Oswald, Leiter des Sozialamtes der Stadt Esslingen, richtete ebenfalls ein Grußwort an die Besucher der Mitgliederversammlung. 

In ihrem Tätigkeitsbericht ging Renate Schaumburg auf die wichtigsten KSR-Projekte ein.  Dazu zählen beispielsweise die Sicherheitsberater, ein Angebot in Zusammenarbeit mit der Polizeidirektion Reutlingen, Abteilung Prävention. Bei 48 Vorträgen haben die Sicherheitsberater auf Gefahren durch Kriminelle hingewiesen und Möglichkeiten aufgezeigt, wie man sich schützen kann. 42 weitere Vorträge sind in diesem Jahr bereits gebucht. Die Nachfrage ist groß. Deshalb ist es erfreulich, dass acht weitere Sicherheitsberater ausgebildet wurden.

Große Resonanz erfuhr das Pedelectraining, das im November mit dem Verkehrssicherheitspreis ausgezeichnet wurde. An sechs Fahrsicherheitstrainings haben im letzten Jahr 64 Personen teilgenommen. Zehn Termine sind in diesem Jahr geplant. 

Selbstverteidigung ist ein weiterer Baustein, um sich zu schützen. Sieben Kurse wurden angeboten. Neue Termine werden Ende März bekanntgegeben. Froh ist KSR-Vorsitzende Schaumburg, dass mit Marc Sigle ein neuer Gewaltpräventionstrainer als Nachfolger für Rolf Kersten gefunden wurde.

Die Resonanz auf das Service-Plus-Qualifizierungsseminar zusammen mit der Kreishandwerkerschaft Esslingen-Nürtingen ließ vonseiten der Handwerksbetriebe noch zu wünschen übrig. „Eine Analyse soll Ende März erfolgen mit der Fragestellung, ob das Angebot, das Konzept und die Themen heute noch passen“, so Schaumburg.

Erfreulich, dass es für alle Projekte finanzielle Unterstützung von der KSK-Stiftung beziehungsweise vom Landratsamt gab.

Ausgebaut hat der Kreisseniorenrat die Gremienarbeit. Eine gute Möglichkeit, um die Interessen der älteren Menschen zu positionieren und an Lösungen mitzuarbeiten. Zudem, so Renate Schaumburg, kämen verstärkt Anfragen von Kommunen, Institutionen und Seniorengruppen. „Das freut uns, weil wir im Landkreis als kompetenter Partner wahrgenommen werden.“ Gisela Rehfeld wurde 2023 in den Vorstand des Landesseniorenrats gewählt. Sie vertritt dort die Themen medizinische und pflegerische Versorgung.

Die Regularien waren schnell abgewickelt. Den Kassenbericht trug Rudi Dölfel vor. Er ist seit 16 Jahren Kassier. Geprüft haben die Kasse Verena Grötzinger und Rudi Bauer. Die Entlastung erfolgte einstimmig.

Weil fünf Mitgliedern aus dem Gesamtvorstand ausscheiden, waren Nachwahlen notwendig. Nachfolger von Kassier Rudi Dölfel wird Ulrich Müller, für den ausscheidenden Gerhard Holz wurde Anneliese Lieb in den geschäftsführenden Vorstand gewählt. Die Beisitzer Heidi Kast, Gerti Müller und Siegfried Lehmann hören aus gesundheitlichen Gründen auf. Zu ihren Nachfolgern wurden Bernhard Kandler, Uwe Klein und Sabine Wettstein gewählt.

Zusammen mit Landrat Heinz Eininger dankten die KSR-Vorsitzenden Renate Schaumburg und Gisela Rehfeld den fünf Ausscheidenden für ihr langjähriges Engagement mit einem Geschenk. „Als freiwillig Engagierte haben Sie Zeit, Energie und Herzblut investiert, um dort zu unterstützen, wo es nötig war. Ihre Arbeit hat Spuren hinterlassen“, sagte Schaumburg.

Aufgreifen will der Kreisseniorenrat in den nächsten Monaten die Themen Digitalisierung im ländlichen Raum, Juleica für Senioren, Stärkung pflegender Angehöriger, Hitzeaktionsplan, Altersdiskriminierung, Vorbereitung auf den Ruhestand, Wohnen und eine Resolution gegen Rassismus und Menschenfeindlichkeit.

Wie sieht es mit der Digitalisierung im ländlichen Raum tatsächlich aus? Aufschluss über diese Frage erhofft sich die Seniorenvertretung von einer Umfrage in den Kommunen im Kreis. Die Auswertung der Fragebögen läuft aktuell. Je nach Umfrage-Ergebnis will sich der KSR passende Maßnahmen überlegen. „Wir sind der Meinung, dass Digitalisierung grundsätzlich wünschenswert ist, es muss jedoch immer darauf geachtet werden, dass analoge Zugänge erhalten bleiben und niemand ausgegrenzt wird“, so die Vorsitzende.

Bei der Juleica-Card geht es um ein Projekt, das zusammen mit der Evangelischen Landeskirche, dem Jugendpfarramt Esslingen, dem Evangelischen Jugendwerk sowie dem Kreisjugendring angestoßen wurde. Hier sollen Senioren fit gemacht werden für Einsätze in Schulen oder in der Jugendarbeit. Die Ausbildung übernimmt der Landesjugendring. Die Schulung (ein Modellprojekt) soll im September starten.

Zur Stärkung pflegender Angehöriger will der Kreisseniorenrat ein Kursangebot erarbeiten, um Betroffene für die häusliche Pflege zu sensibilisieren. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, in welchem Umfang sie später ihre älteren Angehörigen betreuen beziehungsweise pflegen wollen.

In Zeiten des Klimawandels wird ein Hitzeaktionsplan für Kommunen immer wichtiger. Was können ältere Menschen und Angehörige tun, um sich an heißen Sommertagen besser zu schützen. In dieser Frage möchte der Kreisseniorenrat beratend tätig werden und das Thema diskutieren.

Mit Altersdiskriminierung sind ältere Menschen immer öfter konfrontiert. Senioren sind beispielsweise nicht mehr kreditwürdig, sie müssen höhere Versicherungskosten tragen, sollen sich der vielfach diskutierten Führerscheinprüfung unterziehen oder werden bei Dienstleistungen, die nur noch einen digitalen Zugang haben, wie etwa die BahnCard, benachteiligt.  „Hier sind Seniorennetzwerke und Seniorenvertretungen gefordert, auf jegliche Art der Altersdiskriminierung zu reagieren“, sagte Schaumburg.

Direkt betroffen sind Senioren auch, wenn es ums Wohnen geht.  Der Kreisseniorenrat bietet sich deshalb an, bei Quartiersentwicklungsprojekten und Wohnprojekten sein Wissen einzubringen.

Das Bündnis für Demokratie und Menschenrechte ist ein breites überparteiliches und zivilgesellschaftliches Bündnis in Baden-Württemberg, das sich für die Bewahrung der Demokratie einsetzt. Auch der Kreisseniorenrat Esslingen unterstützt diese Initiative und erhebt zusammen mit über 100 anderen Organisationen die Stimme zur Wahrung der Verfassung. 

„Wir wollen ältere Menschen aktivieren und motivieren, sich mit ihren besonderen Lebenserfahrungen in die Diskussionen einzubringen und unsere Gesellschaft mitzugestalten“, betonte Schaumburg.

Vortrag „Der unsichtbare Alltag pflegebedürftiger Menschen und ihrer Familien“ von Professorin Dr. Astrid Elsbernd

Hoch interessant war am Ende der Veranstaltung der Vortrag „Der unsichtbare Alltag pflegebedürftiger Menschen und ihrer Familien“ von Professorin Dr. Astrid Elsbernd von der Hochschule Esslingen. Ihrem Vortrag stellte die Fachfrau einige Daten voran. Aktuell bekommen circa fünf Millionen Menschen Leistungen aus der Pflegeversicherung. Etwa vier Millionen Menschen werden zuhause betreut. Davon etwa eine Million von ambulanten Pflegediensten. Und rund 750.000 Menschen leben in stationären Pflegeeinrichtungen. Keine Zahlen gebe es über die sogenannten 24-Stunden-Betreuungs- und Haushaltskräfte.

Das Thema Langzeitpflege sieht die Esslinger Hochschulprofessorin mit großer Sorge. Denn schon jetzt herrsche ein gravierender Mangel an Pflegeplätzen. Insbesondere für hochgradig demenziell und psychiatrisch erkrankte Menschen sei es schwer, einen Heimplatz zu finden. Hinzu komme, dass es in Baden-Württemberg viel zu wenig Kurzzeitpflegeplätze gebe.

Das Dilemma werde sich erhöhen, wenn es auch nicht mehr genügend ambulante Pflegedienste gebe, weil der Personalmangel in der Pflege schon jetzt gravierend sei. Es würden zwar viele Pflegekräfte ausgebildet, doch eine große Zahl bleibe nicht im Beruf. „Wir müssen die Rahmenbedingungen für Arbeitende in der Pflege verbessern, wir können es uns nicht leisten, dass so viele weglaufen“, so Elsbernd.

Ein weiteres Problem sei der Mangel an Haus- und Fachärzten, die in Pflegeheime kommen. Außerdem gebe es keine Zahnärzte, die bereit seien, Heimbewohner zu versorgen. „Es ist furchtbar, wir als Gesellschaft können uns so was nicht leisten“, so der Appell von Elsbernd an die Verantwortlichen. Ein ähnliches Defizit gebe es bei Pflegeberatungsangeboten.

Für dringend notwendig hält die Professorin eine Reform der Pflegeversicherung. „Wir sind eine reiche Gesellschaft und müssen das Problem lösen.“ Wer die Sonnenseite des Alters genießen wolle, müsse sich auch der Kehrseite der Medaille stellen, regte Elsbernd an, die Problematik in alle Altersgruppen hineinzutragen. „Wir müssen darüber als Gesellschaft diskutieren“, so Elsbernds Forderung. Ihre Anregung: die staatliche Verantwortung erhöhen und Familien unterstützen. Städte und Gemeinden müssten alters- und familiengerechter werden. Jeder einzelne sei gefordert, die Eigenverantwortung für das Alter bewusster wahrzunehmen und das Thema nicht wegzuschieben, sondern vorzusorgen und die Weichen rechtzeitig zu stellen.

Mitglied des Kreisseniorenrat Esslingen e.V. (KSR) können Einzelpersonen und Institutionen werden die im Landkreis Esslingen wohnen bzw. tätig sind. Mitglieder erhalten Infos über Veranstaltungen, zu aktuellen Themen und Projekten. Kontaktaufnahme über info@ksr-es.de.